Branding
Carmen
Nach einer Prognos-Studie über die zukünftige Arbeitslandschaft dürfte 2030 im Schnitt jede vierte Stelle unbesetzt bleiben. Heute schon steht in Fach- und Führungskreisen nicht mehr die Aufgabe im Vordergrund, den Arbeitssuchenden zu helfen, eine geeignete Stelle zu finden, sondern Unternehmen mit dem geeigneten „Humankapital“ auszustatten.
Viele empfinden dieses Wort „Humankapital“ als herabsetzend. Bei näherer Betrachtung wird allerdings eine tiefere Wertschätzung deutlich, als die meisten vermuten. Der Mitarbeiter ist das höchste Gut eines Unternehmens. Denn ohne Menschen sind die besten Maschinen einfach nur eine Haufen dummer Materie mit digitalem Anschluss. Der Mensch macht daraus erst eine nutzbare Ressource und erzielt damit einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen.
Auf eine Anfrage hin treffe ich mich zu einem Gespräch mit einem Personalberater in Düsseldorf. Schon nach kurzer Zeit stellt sich mir die Frage: „Wenn wir doch unter Fachkräftemangel leiden, warum haben Sie dann eine gefüllte Datenbank mit Koryphäen und Spezialisten, die nicht vermittelt werden?“ Er lässt sich in seinen Ledersessel zurückgleiten, streicht sich mit der Hand übers Gesicht: „Was glauben Sie, warum ich Sie wohl angerufen habe? Wir suchen für eine Stelle drei bis fünf Bewerber aus und stellen sie dem Unternehmen vor. Diejenigen, die nicht infrage kommen, bleiben in unserer Datenbank – meist über lange Zeit. In den meisten Fällen haben alle das gleiche Problem. Man kauft ihnen nicht ab, dass sie das leisten können, was der Lebenslauf und sogar die Referenzschreiben versprechen. Diese Bewerber können sich einfach nicht verkaufen. Es fehlt ihnen an Profil.“
Das Hauptproblem besteht damit in der Selbstpräsentation. Denn es ist irrelevant, wie gut eine Fachkraft wirklich ist, solange die jeweilige Zielgruppe ihr diese Fähigkeiten nicht zuschreibt und anerkennt. Die Karriere wird nicht weitergehen. In diesen – sehr häufigen – Fällen bleiben Leistungsträger im wahrsten Sinne des Wortes unentdeckt. Bereits hier beginnt sich die Spirale des Fachkräftemangels zu drehen.
Der Personalberater lädt mich zu einem Gespräch mit einem seiner Kandidaten ein. Ich verstehe schnell, warum er immer noch in der Datenbank ist. Er schafft es nicht darzustellen, welche Probleme er löst. Gute Produktmarken werden immer mit einer spezifischen Problemlösungskompetenz verbunden. Das Gleiche gilt auch für Personenmarken. Die Prozesse und Produkte verändern sich, doch der Nutzen, den ein Mitarbeiter – eine Fachkraft – einem Unternehmen beschert, der bleibt.
In unserem Gespräch wird dem Kandidaten klar, dass die Kombination seiner Fähigkeiten und erworbenen Erfahrungen zu einer spezifischen Positionierung im Unternehmen führt. Er beginnt zu verstehen, dass seine Karriere von der richtigen Kommunikation seiner Kompetenzen abhängt.
Die verbale Kommunikation ist allerdings im selektiven Auswahlprozess um Spitzenpositionen nicht mehr alles. Der Test mit anonymisierten Bewerbungen bei der Telekom und L’Oréal haben es gezeigt. Ausgewählte Bewerber hätten es nicht bis zum Vorstellungsgespräch geschafft, wenn z. B. das Foto sichtbar gewesen wäre. Über das äußere Erscheinungsbild wird auf die Kompetenzen rückgeschlossen. Versteht die Person, wofür ein Unternehmen einsteht, was vom Mitarbeiter erwartet wird und viel wichtiger noch – was der Kunde erwartet? Die Antworten darauf sollte der Bewerber schon mit seinem Bild vermitteln und erst recht beim persönlichen Auftritt.
Vor allem klein- und mittelständische Unternehmen – bei denen das Fehlen einer Fachkraft bereits empfindliche Umsatzeinbußen bedeuten kann – profitieren von der Förderung ihrer Mitarbeiter. Ein Mitarbeiter, der durch seine Positionierung im Unternehmen richtig eingesetzt wird, ist zufriedener, leistungsbereiter und trägt mit seinem Wissen vor allem mehr zum Wertschöpfungsprozess des Unternehmens bei.
Der Strukturwandel bedingt die langfristige Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Richtung Dienstleistung. Ein Mitarbeiter mit Profil wird von seinen Kunden schneller als adäquater Problemlöser erkannt und nimmt als Repräsentant des Unternehmens nach außen die Rolle des Markenbotschafters ein.
Im War of Talents haben die Unternehmen die Nase vorn, die diese Erkenntnis in Taten umsetzen.
Charmanten Gruß
Carmen
In der bdvb aktuell erschien der Artikel: „Gewinnen im War of Talents“ von Carmen Brablec.
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